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Experten-Kolumne 30.10.2025 09:40:50

Risse in der Marktresilienz offenbaren Schwachstellen in der US-Wirtschaft

Risse in der Marktresilienz offenbaren Schwachstellen in der US-Wirtschaft

Zwei kürzliche prominente US-Insolvenzen - die eines Autokreditgebers und die eines Autozulieferers - haben bei mehreren Banken zu Kreditverlusten geführt. Der plötzliche Zusammenbruch dieser Unternehmen hat für zunehmende Besorgnis gesorgt.

Seit Bekanntwerden der Nachricht haben sich die Spreads von Anleihen niedrigerer Qualität gegenüber US-Staatsanleihen vergleichbarer Laufzeit ausgeweitet. Auch die Aktienkurse regionaler Banken und börsennotierter Business Development Companies (BDCs) gerieten unter Druck. Der Kreditmarkt preist inzwischen höhere Risikoaufschläge für bestimmte Segmente von Bankkrediten und verbriefte Konsumentenkredite ein.

Diese Insolvenzen und Verluste wirken auf den ersten Blick wie Einzelfälle. Doch solche Probleme treten meist dann auf, wenn sich das gesamtwirtschaftliche Wachstum abschwächt - wie es derzeit in den USA der Fall ist. In solchen Phasen können angeschlagene Unternehmen und Haushalte ihre strukturellen Schwächen nicht länger verdecken. Das wirtschaftliche und politische Umfeld trägt zusätzlich dazu bei: Das Wachstum verlangsamt sich, auch wenn es weiterhin leicht positiv ausfällt. Zölle erhöhen die Kosten, die Einwanderungspolitik wurde deutlich verändert, und die Zinsen bleiben hoch. Diese Faktoren belasten bestimmte Teile der Wirtschaft, und ihre Folgen werden nun zunehmend sichtbar.

Wir sind der Ansicht, dass die US-Wirtschaft in der Lage ist, diesen Gegenwind zu verkraften - insbesondere, sobald die Steuersenkungen und Gutschriften aus dem One Big Beautiful Bill Act Haushalten und Unternehmen Unterstützung bieten. Laut Daten der US-Notenbank sind sowohl die Schuldenquoten von Haushalten als auch von Unternehmen im Verhältnis zu BIP und Vermögen heute stärker als vor der Pandemie.

Allerdings verdecken diese soliden Gesamtkennzahlen eine schleichende Verschiebung hin zu riskanterer Kreditvergabe unter der Oberfläche, die neue Risiken birgt: Nach der Pandemie kam es zu einer Art "Kreditrating-Inflation", begleitet von starkem Wachstum im privaten Kreditmarkt. Dadurch erhielten viele Kreditnehmer Zugang zu Finanzierungen, die ihnen unter normalen Umständen wahrscheinlich verwehrt geblieben wären. Gleichzeitig setzen die wirtschaftlichen Anpassungen an die jüngsten politischen Veränderungen zahlreiche Geschäftsmodelle unter Druck. Besonders gefährdet sind Unternehmen mit hoher internationaler Verflechtung oder solche, die zuvor vom Einwanderungsboom profitiert haben. Auch einkommensschwache Haushalte, die nicht an den Kursgewinnen der Aktienmärkte teilhaben oder deren Einkommen in besonders betroffenen Sektoren erzielt wird, stehen zunehmend vor Herausforderungen.

Trotz der jüngsten Neubewertungen in einzelnen Bereichen von Kredit- und Aktienmärkten zeigen sich die breiteren Märkte bislang relativ gelassen gegenüber diesen Risiken.

Hintergrund: Solide Fundamentaldaten nach der Pandemie förderten eine Ausweitung riskanterer Kreditvergabe

Wie ist es so weit gekommen? Die US-Wirtschaft entwickelte sich in den Jahren nach der Pandemie ausgesprochen stark. Umfangreiche staatliche Hilfen für Haushalte und Unternehmen stärkten die finanzielle Position des privaten Sektors. Zudem wirkte der hohe Anteil langfristiger Hypothekendarlehen mit festem Zinssatz dämpfend auf die Zinslast vieler Haushalte. Gleichzeitig sorgte ein starker Einwanderungszuwachs dafür, dass sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite der Wirtschaft gestützt wurde.

Diese Faktoren trugen entscheidend dazu bei, dass die reale Wirtschaftsleistung der USA nach der Pandemie stärker zulegte als in den meisten anderen Industrieländern.

Dieses US-"Exzeptionalismus"-Narrativ hat vermutlich auch zu einer Ausweitung der riskanteren Kreditvergabe beigetragen. Das gilt insbesondere für den Bereich privater Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen. Kreditgeber boten flexiblere Strukturen an, darunter Zinszahlungen in Form von Payment-in-Kind (PIK), um das hohe Zinsumfeld zu managen. Viele Unternehmen, die sich auf den öffentlichen Märkten oder über direkte Bankkredite keine Finanzierung sichern konnten, erhielten Kapital über private Märkte. Gleichzeitig begannen Banken zunehmend, an Finanzintermediäre wie BDCs zu verleihen, anstatt teurere Unternehmenskredite direkt zu vergeben.

Das Ergebnis war eine Verschiebung der Kreditvergabe weg von Banken und öffentlichen Märkten hin zu privaten Kreditgebern. Das federte die Wirkung der strafferen Geldpolitik auf die Realwirtschaft ab. Nach Angaben der US-Notenbank beträgt das gesamte ausstehende Kreditvolumen an Nicht-Finanzunternehmen derzeit rund 142 % des BIP - etwa sieben Prozentpunkte weniger als vor der Pandemie. Anders verhält es sich im Bereich der privaten Kredite: Dieses Segment umfasst inzwischen geschätzte 2,7 Billionen US-Dollar und liegt damit um rund einen Prozentpunkt des BIP höher als vor der Pandemie. Über die vergangenen zehn Jahre entfiel etwas mehr als die Hälfte des gesamten Kreditwachstums im Verhältnis zum BIP auf private Kreditvergabe.

Ähnliche Dynamiken waren im Konsumentenkreditgeschäft zu beobachten. US-Haushalte profitierten von der Erholung nach der Pandemie, staatlicher Unterstützung und der Aussetzung von Studienkreditzahlungen. Viele Haushalte konnten höhere Einkommen verbuchen - besonders dann, wenn sie den Arbeitsplatz wechselten. Der starke Anstieg der Immobilienpreise liess zugleich das Vermögen vieler auch jener steigen, die nicht am Aktienmarkt investiert sind.

Diese Faktoren führten zu einer "mechanischen" Verbesserung der Bonitätswerte: Laut Equifax stiegen die durchschnittlichen US-Kredit-Scores unmittelbar nach der Pandemie um 10 bis 15 Punkte. Kreditnehmer mit niedrigerer Bonität profitierten dabei überdurchschnittlich. Diese künstlich inflationierten Bonitätswerte führten dazu, dass sich die Kreditvergabe stärker auf risikoreichere Segmente verlagerte - obwohl die gesamte Haushaltsverschuldung im Verhältnis zum BIP zurückging. Seitdem sind die Ausfallraten deutlich gestiegen, vor allem bei Konsumentenkrediten aus den Jahrgängen 2021 und 2022 - also genau aus der Zeit, in der diese Bonitätskennzahlen ihren Höhepunkt erreichten.

Neue Risiken durch politische Veränderungen

Im vergangenen Jahr hat der aussergewöhnliche Post-Pandemie-Boom der US-Wirtschaft an Schwung verloren. Nach Angaben des US-Handelsministeriums und unseren eigenen Schätzungen ist das reale BIP-Wachstum von rund 2,5-3 % auf etwa 1,5-2 % zurückgegangen. Zugleich belasten deutliche Änderungen in der Handels- und Einwanderungspolitik viele Geschäftsmodelle. Unternehmen, die davon ausgehen, dass Zölle, Steueranpassungen und Migrationsbeschränkungen dauerhaft Bestand haben, passen ihre Strategien an - teils erfolgreich, teils weniger.

Die jüngsten prominenten Insolvenzen und ihr zeitlicher Verlauf passen in das Bild eines sich verändernden makroökonomischen Umfelds. In einigen Fällen dürften jedoch auch Unstimmigkeiten bei der Bewertung und Verpfändung von Sicherheiten eine Rolle gespielt haben. Eines der betroffenen Unternehmen war auf Subprime-Autokredite spezialisiert - vor allem an Kunden mit kurzer oder fehlender Kreditgeschichte, darunter auch Einwanderer, die möglicherweise von den jüngsten politischen Änderungen betroffen waren. Beim Autozulieferer wurden hingegen "geopolitische Unsicherheiten und Gegenwind durch neu verhängte Zölle" als Hauptursachen für die Insolvenz genannt.

Parallel dazu rückte in den Ergebnissen für das dritte Quartal die Qualität der Vermögenswerte stärker in den Fokus. Mehrere Banken meldeten Verluste im Zusammenhang mit den genannten Insolvenzen sowie kleinere Unregelmässigkeiten bei der Hinterlegung von Sicherheiten für Gewerbeimmobilien- und Unternehmenskredite. Auch die Aktien von BDCs gaben nach, da Investoren zunehmend um die Zinserträge der zugrunde liegenden Kredite besorgt sein könnten - insbesondere angesichts weiterhin hoher PIK-Strukturen und der Erwartung sinkender Zinsen.

Gleichzeitig haben sich die Bewertungen von Bankkrediten am Sekundärmarkt auseinanderentwickelt: In den Sektoren Automobil und Chemie werden zunehmend Kredite zu Abschlägen gehandelt. Im Chemiesektor, der stark abhängig von globalen Produktionszyklen und internationalem Handel ist, notieren laut Intex- und Markit-Daten rund 20 % der Kredite zwischen 80 und 90 Cent pro Dollar. Das signalisiert wachsende Kreditrisiken, wenngleich noch keine akute Notlage.

Auch auf Konsumentenseite zeigen sich über das letzte Jahr Veränderungen. Trotz weiterhin starker aggregierter Haushaltsbilanzen nimmt die Ungleichheit zwischen den unterschiedlichen Gruppen zu. Die Arbeitsmärkte kühlen ab, das reale Lohnwachstum hat sich auf etwa 1 % verlangsamt und die Netto-Beschäftigungszuwächse sind laut Handelsministerium nahezu zum Stillstand gekommen.

Trotz weiterhin erhöhter Inflation hab sich die nominalen Lohnzuwächse im unteren Einkommensbereich deutlich abgeschwächt. Der Immobilienpreisanstieg, der Hausbesitzer (rund 66 % der Amerikaner) gestützt hat, verliert an Tempo. Aktienmarkterträge erhöhen zwar das Vermögen wohlhabender Haushalte, doch laut Fed-Daten haben nur rund 21 % der Amerikaner ausserhalb ihrer Altersvorsorge überhaupt Aktienbesitz. Abgesehen von einer kürzlichen Ausgabenzunahme wohlhabender Haushalte, vermutlich unterstützt durch Aktienmarktgewinne, bleibt der Konsum insgesamt verhalten.

In der Summe nimmt der Druck für kleine und mittelgrosse Unternehmen, einkommensschwache Haushalte und Nicht-Eigentümer zu. Zahlungsausfälle und Kreditausfälle steigen in diesen Gruppen merklich, trotz der kräftigen Erholung der grossen US-Aktienindizes, darunter der S&P 500, seit den ersten Zollankündigungen im April. Weitere Belastungen sind möglich.

Fazit

Die jüngsten Insolvenzen und Preisbewegungen in Teilbereichen der Kredit- und Aktienmärkte verdeutlichen die wachsende Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern der US-Wirtschaft. Auch wenn die Gesamtverschuldung von Unternehmen und Haushalten im Verhältnis zum BIP heute niedriger ist als vor der Pandemie, hat sich die Struktur der Kreditvergabe deutlich verändert. Ein grösserer Teil der Finanzierung verlagert sich inzwischen weg von den Banken hin zu weniger regulierten, privaten Märkten - oft mit grosszügigeren Kreditstandards. Diese Entwicklung schafft neue Verwundbarkeiten, besonders im Zuge der makroökonomischen Anpassungen an die jüngsten politischen Veränderungen.

Wir erwarten, dass sich die US-Wirtschaft im kommenden Jahr insgesamt festigt, unterstützt durch gezielte Steuererleichterungen. Dennoch werden die Anpassungen nicht für alle schmerzlos verlaufen. Diese Verwundbarkeiten bedeuten, dass der wirtschaftliche Ausblick mit Risiken behaftet bleibt.

Die breiteren Märkte scheinen diese Risiken bislang gelassen zu sehen: Der S&P 500 liegt seit Jahresbeginn um 15 % im Plus, die Kreditspreads gegenüber Staatsanleihen bleiben eng, und die kurzfristigen Zinssätze preisen kaum die Möglichkeit aggressiverer Fed-Senkungen ein. Wir rechnen derzeit mit einem allmählichen Zinssenkungspfad. Wie reibungslos die Anpassungen verlaufen, bleibt abzuwarten. Das Fazit aus dieser komplexen Situation: Für Anleger eröffnen sich weiterhin vielfältige Chancen. Wir bevorzugen selektive Engagements in Krediten mit hoher Bonität und soliden Sicherheiten. Die weiterhin hohen Renditen hochwertiger Anleihen - in den USA wie auch international - ermöglichen es Investoren, widerstandsfähige Portfolios mit attraktiven Ertragschancen aufzubauen. Hohe Renditen bedeuten, dass Marktzinsen nicht fallen müssen, um überzeugende Einkommenserträge zu erzielen. Sollten sich die makroökonomischen Risiken jedoch verschärfen, könnte die Kurssteigerung im Anleihebereich einen wertvollen Schutz gegen schwächere Risikoanlagen bieten. Unter verschiedensten Szenarien bleiben Anleihen somit gut positioniert, um Anlegern stabile Ergebnisse zu liefern.

von Tiffany Wilding, Volkswirtin bei PIMCO

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.

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